Klaus Seilwinder hat eine außergewöhnliche Biographie. Er war obdachlos und schlug sich fast zehn Jahre lang auf der Straße durch. Mittlerweile hat er hunderte Menschen mit seiner Geschichte berührt: Als Stadtführer bei querstadtein (Engagementpreis-2013) zeigt er sein ganz persönliches Berlin. Die Orte, an denen er Zuflucht fand, die Türen, die sich für ihn öffneten, und die Wege, die ihm verschlossen waren. Im Januar 2018 sprach er bei Maischberger über seine Erfahrungen. Nun betritt er wiederum ein neues Feld: die Bühne. Am 26. Juli wird er im Theater Expedition Metropolis in einem Gastspiel der Obdachlosen-Uni zu sehen sein.
Die Obdachlosen-Uni in Berlin begann als Hilfsangebot für Wohnungslose, die eine Möglichkeit erhalten sollten, neues Selbstbewusstsein zu erlangen und einen mentalen Ausgleich zu den täglichen Nöten zu erfahren. Mit ihrem integrativen Ansatz ist die Obdachlosen-Uni mittlerweile allerdings eine Anlaufstelle für alle geworden, die teilnehmen wollen. Obdach- und Wohnungslose, ältere und arme Menschen, all jene, die von sozialer Isolation bedroht sind. Wer etwas weiß oder kann oder sich für ein bestimmtes Themenfeld interessiert, kann als Dozent/in sein Wissen weitervermitteln und so andere bereichern. Das Gefühl, gebraucht zu werden und wichtig zu sein, stärkt das Selbstvertrauen, während der Kontakt zu Anderen einen Platz in der Gemeinschaft bietet. Der Fokus der Arbeit liegt auf Potentialen und nicht auf Defiziten.
Das Kursangebot ist vielfältig und erstreckt sich von Malkursen über die Fahrradwerkstatt bis hin zu Philosophie. Auch Yoga- und Schachkurse werden kostenlos angeboten. Und eine Theatergruppe gibt es auch.
Einer der Teilnehmer an der Theatergruppe ist Klaus Seilwinder. Seine Geschichte ist eine verschlungene, nach beinahe zehn Jahren auf der Straße erzählt er sie mittlerweile bei querstadtein. Als Stadtführer reflektiert er dort nicht nur seine eigene Biographie, sondern ermöglicht den Besucher/innen einen Perspektivwechsel, einen neuen Blick auf Berlin. Diesen integrativen Ansatz teilt querstadtein mit der Obachlosen-Uni: es geht nicht um Belehrung oder Zurechtweisung, sondern um den Austauch von individuellen Erfahrungen und der Annahme des Anderen als anders und gleichwertig. Diese Grundsätze teilt auch Expedition Metropolis, das Theater in dem das Ensemble der Obdachlosen-Uni ihre Verrückte Märchenschau zeigt. Im Sinne der Beuys’schen Sozialen Plastik ist Kunst hier Politik. Das Theater ist nicht nur Ort der Begegnung und der Auseinandersetzung miteinander, sondern wird Ort der Handlung aller: alle Teilnehmer werden zu Akteuren und schaffen eine Kunst von allen. Einen besseren Ort, um die jahrhundertealten Narrative unserer Werte und Normen neu zu erzählen, gibt es wohl nicht.
Das Engagementpreisteam wünscht eine wunderbare Premiere. Toi toi toi!